Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Bauwelt 48/2005
Abrisse in der Gartenstadt Erika (Laubusch/Lausitz)

Nur wenige Regionen in Deutschland können mit einer dermaßen großen Zahl an Gartenstädten aufwarten wie die Lausitz. Doch jetzt sind viele dieser Anlagen durch Leerstände und Abrisse bedroht. Ein Beispiel ist die Gartenstadt Erika in Laubusch bei Hoyerswerda, die exemplarisch den Aufstieg und den Niedergang der Lausitzer Gartenstädte repräsentiert.

Der Bau der Gartenstadt war untrennbar mit der Industrialisierung der Lausitz verbunden. Ab 1915 entstand rings um Laubusch der Tagebau Erika, ein Kraftwerk und eine Brikettfabrik. Eine Besonderheit dieser Industrieentwicklung war die Tatsache, dass sie ausschließlich durch den Großkonzern Ilse Bergbau AG vorangetrieben wurde. Diese Besonderheit prägte auch die Stadtentwicklung der Region, die nicht spontan verlief, sondern planmäßig von der Ilse Bergbau AG durchgeführt wurde. Diese Firma, die sich nicht nur als Unternehmen, sondern auch als soziale Fürsorgeanstalt verstand, errichtete für ihre Beschäftigten komplette Städte mit Schulen, Kultureinrichtungen, Sozialbauten, Krankenhäusern und Einkaufsstätten. Auf diese Weise entstanden regelrechte Idealstädte, die zu den besten Schöpfungen des Reformwohnungsbaues zählen.

Im Rahmen dieses Bauprogramms entstand auch die Gartenstadt Erika, die zwischen 1915 und 1938 nach Entwürfen von Ewald Kleffel errichtet wurde. Sie umfasste 551 relativ großzügige Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern, die von Gärten und Stallbauten für die private Viehhaltung gesäumt wurden. Eine Schule, ein Kulturhaus mit Gaststätte, Ladengebäude und eine Kirche komplettierten die Anlage.

Die Gestaltung der Siedlung war durch einen einheitlichen Grundplan geprägt, der die Zusammengehörigkeit der Ilse-Mitarbeiter veranschaulichen sollte. Das Zentrum bildete eine Mischung aus Dorfanger und Marktplatz, der von der Schule, der Ladenstraße, der Kirche und dem Kulturhaus flankiert wurde. In der weiteren Siedlung entstand ein Wechselspiel von geschwungenen Straßenzügen und Plätzen, die eine malerische Atmosphäre entfalteten. Typisch war das Nebeneinander von Direktorenvillen und Arbeiterhäusern, das die Verbundenheit zwischen den verschiedenen Schichten fördern sollte. Und auch die Architektur der Gebäude war auf Harmonie bedacht. Eine sorgfältig abgestimmte Mischung von Giebeln, Erkern, Pilastern, Torbögen, Schmuckfriesen und Dachgauben ließ ein idyllisches Straßenbild entstehen.

Nach 1990 wurde die Gartenstadt zunächst zum Schauplatz bürgerschaftlichen Engagements. 1995 gründete eine Mieterinitiative die Wohnungsgenossenschaft Laubusch, die umgehend die Laubuscher Wohnungen erwarb und anschließend mit der Sanierung der Häuser begann. Doch schon bald wurden diese Erfolge vom wirtschaftlichen Niedergang der Region überlagert. Die Laubuscher Brikettfabrik musste bereits 1993 schließen. Die folgende Krise wurde durch die Wirtschaftsförderungspolitik des Freistaates Sachsen noch verschärft. Denn dieser konzentrierte seine Fördermittel auf die Regionen Leipzig, Dresden und Chemnitz-Zwickau. In der Region um Laubusch kamen dagegen keine nennenswerten Neuansiedlungen zustande.

Die Folge war eine Abwärtsspirale. Zunächst stieg die Arbeitslosigkeit in Laubusch an, anschließend folgte die Abwanderung, die wiederum einen Wohnungsleerstand von 27 Prozent nach sich zog. Unter diesen Umständen mussten die Sanierungsbemühungen eingestellt werden. Und im November 2003 begannen die Wohnungsabrisse, denen mittlerweile 88 Wohnungen zum Opfer gefallen sind. Auch die Denkmalbehörden konnten die Abbrüche in der denkmalgeschützten Gartenstadt nicht verhindern. Einsprüche des sächsischen Landesdenkmalamtes gegen die Abrisse wurden vom Regierungspräsidium Dresden zurückgewiesen.

Heute bietet die Gartenstadt Erika ein Bild der Auflösung. Die kunstvollen Platzfiguren und Sichtbeziehungen verschwinden allmählich. Aber auch für die Laubuscher Bürger sind die Abrisse eine Tragödie, schließlich haben viele von ihnen erhebliche Geldmittel in ihre Wohnungen und ihre Genossenschaft investiert. Dennoch werden die Abrisse auch in den nächsten Jahren weitergehen. Unklar ist zudem die Zukunft der Schule, die in absehbarer Zeit vom Leerstand betroffen sein wird.

Nicht besser ist die Lage in vielen anderen Lausitzer Gartenstädten. In der Gartenstadt Knappenrode bei Hoyerswerda, die ab 1913 als Gartenstadt Werminghoff erbaut wurde, musste die dortige Lausitzer Bergarbeiter-Wohnungsgenossenschaft im vorigen Jahr Konkurs anmelden. Anschließend begann der Abriss von 98 der 540 Wohnungen. Ebenfalls bedroht sind das Kulturhaus, die Schule und das Kaufhaus. Und auch in der Annahütter Karl-Marx-Siedlung, die zwischen 1920 und 1931 als Siedlung Heye I errichtet wurde, bestimmen die Abrissbagger das Bild. Am Ende könnte diese Abwärtsentwicklung dazu führen, dass viele Lausitzer Gartenstädte eines Tages ganz von der Landkarte verschwinden werden.

Matthias Grünzig