Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Bauwelt 23/2011
Dresdner Milliardenpoker

Die Stadt Dresden erregte 2006 deutschlandweit Aufsehen, als sie die städtische Wohnungsgesellschaft Woba und damit ihren gesamten städtischen Wohnungsbestand für 1,7 Milliarden Euro an den amerikanischen Finanzinvestor Fortress verkaufte. Doch jetzt sorgt dieses Geschäft vor allem für Negativschlagzeilen. Nach zahlreichen Skandalen hat die Stadt Dresden eine Klage gegen den Investor eingereicht.

Am Anfang der Privatisierung standen große Erwartungen. Die Stadtverwaltung erhoffte sich eine Sanierung der Stadtfinanzen, eine bessere Bewirtschaftung der Wohnungen und eine Aktivierung von privatem Kapital für die Stadtentwicklung. Auch in sozialer Hinsicht galt der Verkauf als vorbildlich: Schließlich wurde zwischen der Stadt und dem Investor eine Sozialcharta vereinbart, die die Woba-Mieter vor sozialen Härten schützen sollte.

In der Praxis allerdings zeigte sich bald, dass der Woba-Verkauf zu erheblichen Nachteilen führte. Ein Problem hing mit dem Geschäftsmodell des Finanzinvestors zusammen. Denn dieser finanzierte den Kauf der Woba zu großen Teilen über einen Kredit, mit dem das Unternehmen anschließend belastet wurde. Folgerichtig war die Woba, die nach dem Verkauf in die Gagfah eingegliedert wurde, gezwungen, hohe Kreditlasten zu bedienen. Zudem musste das Unternehmen hohe Dividenden an die Aktionäre abführen. Die Konsequenzen dieser Belastungen war, dass das Unternehmen finanziell regelrecht ausgepresst wurde.

Die Folgen für die Mieter und die Stadt waren fatal. Das Preis-Leistungs-Verhältnis für die Gagfah-Mieter verschlechterte sich drastisch. Die Gagfah sparte massiv am Service und an der Instandhaltung. Hausmeisterdienste wurden wegrationalisiert, Kundencenter wurden geschlossen. Das Ergebnis war eine Verwahrlosung der Gebäude. Die Mängel reichten von Schimmel in den Wohnungen über verdreckte Hausflure, marode Aufzüge, kaputte Eingangstüren, defekte Heizkörper bis hin zu einem schlechten Winterdienst. Dennoch scheute sich die Gagfah nicht, die Mieten deutlich zu erhöhen. In den letzten drei Jahren wurden die Mieten um das maximal zulässige Maß von 20 Prozent erhöht, zudem drängte die Gagfah die Mieter zu weiteren "freiwilligen" Mieterhöhungen. In vielen Fällen wurden sogar die Obergrenzen des Mietspiegels überschritten. Mietern, die sich gegen diese Rechtsbrüche zur Wehr setzten, drohte die Gagfah mit Kündigung. Zudem erhielten zahlreiche Mieter überhöhte Nebenkostenabrechnungen, die erst durch Gerichtsverfahren annuliert werden konnten.

Ein weiteres Manko war, dass durch den Woba-Verkauf die Segregation gefördert wurde. Auf der einen Seite kam es zu aufwändigen Sanierungen innerstädtischer Wohnhäuser. Teilweise wurden diese Häuser durch die Gagfah teuer saniert und dann weiterverkauft, teilweise wurden sie erst weiterverkauft und dann teuer saniert. Bei vielen dieser Transaktionen gingen die Mieterschutzbestimmungen der Sozialcharta verloren, mit der Folge, dass zahlreiche einkommensschwache Mieter aus der Innenstadt verdrängt wurden. Auf der anderen Seite kam es zu einer Vernachlässigung von Gebäuden in unterprivilegierten Lagen, die sich immer mehr zu sozialen Brennpunkten entwickelten. Die dringend nötige Aufwertung benachteiligter Stadtteile wurde durch diese Strategie konterkariert. Das Ergebnis war eine zunehmende Spaltung der Stadt in luxussanierte Gebiete für Großverdiener und benachteiligte Stadtteile, in denen sich die einkommensschwachen Schichten konzentrieren.

Schließlich führte der Woba-Verkauf auch zu ökologischen Problemen. Zahlreiche Gagfah-Gebäude verbrauchen viel Heizenergie und müssten deshalb dringend energetisch saniert werden. Doch die Gagfah ist zu derartigen Sanierungen nur in Einzelfällen bereit.

Die Geschäftspolitik der Gagfah führte zu wachsenden Konflikten zwischen dem Unternehmen und der Stadtverwaltung, die schließlich in eine Klage gegen den Immobilienkonzern mündeten. Am 24.3.2011 beschloss der Stadtrat, die Gagfah auf eine Strafzahlung von 1,06 Milliarden Euro zu verklagen, am 31.3.2011 wurde die Klage beim Landgericht Dresden eingereicht. Konkret werden der Gagfah Verstöße gegen die Sozialcharta vorgeworfen. Die Gagfah hält die Klage für unbegründet, Gagfah-Unterhändler Matthias Moser kündigte in einem Zeitungsinterview sogar ein "zehnjähriges öffentliches Blutbad" an. An den Börsen führte die Klage allerdings zu Kursverlusten der Gagfah-Aktien von rund dreißig Prozent. Besonders pikant war in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Gagfah-Vorstandschef William Brennan kurz vor der Veröffentlichung der Klage noch Gagfah-Aktien im Wert von 4,7 Millionen Euro verkauft hatte. Derzeit ermittelt die Finanzaufsichtsbehörde BaFin gegen Brennan wegen des Verdachts des Insiderhandels.

Zugleich gibt es in Dresden eine Debatte über eine neue städtische Wohnungsgesellschaft. SPD, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen haben sich bereits für die Neugründung einer städtischen Wohnungsgesellschaft ausgesprochen. Im Falle einer rot-rot-grünen Mehrheit nach der Kommunalwahl 2014 soll das Vorhaben umgesetzt werden.

Matthias Grünzig